Waltraud Krüger

Heute wärst du 89 Jahre alt geworden, meine liebe Oma.

Meine liebe Mutti,

heute wäre Dein 89. Geburtstag. Glückwünsche kann ich Dir nicht mehr senden – dafür einen stillen Gruß. Blumen sollen Dein tiefes Grab erreichen. Ich denke, dafür sorgt der Fluss. Du sollst wissen, dass ich Dich immer vermisse und stets Deiner gedenke.

In Liebe Deine Rella mit Deinem Thie

Spaziergang durch den Garten

(©07.12.2024/MKJ/Uckerfelde)

Regentropfen an den Zweigen, kein einzig Blatt hängt mehr am Baum, der Herbst ist fast vergangen. Man glaubt es kaum.

Wo bist du hingegangen, als der Sommer bei uns war?Du gingst dem Herbst entgegen, als das Wasser war noch klar.

Nun liegst du tief gesunken auf des Meeres Grund. Die Strömung trägt dich weiter – hat dazu allen Grund.

Ich soll dich stets erreichen, egal wo ich auch bin. Ich werd`dich immer finden. Die Strömung trägt mich hin.

Eine einzelne Rose blüht im Garten, obwohl es Dezember ist. Ich lass` sie am Strauche wachsen. Sie ist ein Gruß für dich.

"Das Leben ist ein ewiger Abschied. Wer aber von seinen Erinnerungen geniessen kann, lebt zweimal." (Marcus Valerius Martial)

Meine liebe Mutti,

eigentlich habe ich Dir ganz viel zu berichten. Ich werde Dir nur ein wenig schreiben. Nur soviel: wir hatten  schon zwei Nächte richtig Frost. Gut, dass im Garten alles fertig ist. Von Arthur ist ein Kater immer hinter Thie hergelaufen. Nun wohnt dieser in der großen Olivenbaumabdeckung auf dem Filz – und er ist schon richtig fett gefüttert worden von uns. Es ist ein kleiner "Kampfkater", denn er jagd alle anderen Katzen vom Hof. Nun, da soll er hier bleiben. Dir hätte dieser kleine Kerl gefallen. Er ist auch ein Schmusetier und springt Thie gleich morgends in die Arme. Das müsstet Du mal sehen. 

Meine Muttel, ich vermisse Dich. Deine Rella

Meine liebe Mutti,

wir streuten heute für Dich unzählige Rosenblütenblätter ins Wasser. Diese werden Dich erreichen und unsere Liebe zu Dir tragen. Wir gedachten auch der anderen lieben Verstorbenen. 

Ich vermisse Dich. Deine Relli

Mutti habe ich dich genannt

©29.08.2024/MKJ/Uckerfelde

Die meisten denken: „Die war alt.” „Die konnte gehen.”Sie haben nicht das Recht, es so zu sehen.

Wenn eine Mutter geht, empfinde ich das nie als zu spät.

Sie wissen nicht, was uns verband. Mutti habe ich dich genannt.

Du hast mich auf die Welt gebracht. Du hast an meinem Bett gewacht. Du hast mich aufgezogen und geliebt.

Ich wollte nicht, dass es dich nicht mehr gibt.

Ich bin noch hier. Ich dulde es nicht, dass man so redet von dir.

Mutti habe ich dich genannt.

Meine Liebe Mutti,

vor einiger Zeit hast Du mich gefragt: „Woher DAS wohl alles kommen mag?” „Ich weiß es nicht”, habe ich Dir gesagt. „Ich weiß es nicht.”

Vor 19 Jahren hast Du mich besucht. Ich danke Dir heute noch dafür, denn Du warst immer für mich da. Ich besuche Dich jetzt jeden Tag, immer dann, wann ich es mag. Nur einen Knopfdruck bist Du von mir entfernt.

Ich rede leise mit Dir. Du weißt, das mochten wir. Da hörte uns niemand zu. Und wir beide hatten unsere  Ruh.

Doch heute rede ich laut mit Dir. Ich war wieder an Deinem Fluss:

Ich stehe am Ufer des Flusses

(©10.11.2024/MKJ/Uckerfelde)

Ich stehe am Ufer des Flusses, den du einst als Kind hast so heiß geliebt.

Ich stehe am Ufer des Flusses, den es schon Tausende von Jahren gibt.

Ich stehe am Ufer des Flusses, über den gerade ein Kranichschwarm fliegt.

Ich stehe am Ufer des Flusses, dessen Schilf sich sachte im Wind wiegt.

Ich stehe am Ufer des Flusses, der dich nach Hause trägt.

Ich stehe am Ufer des Flusses, und ich weiß, dass es dich immer gibt – so wie diesen Fluss, über den ein Schwarm Kraniche fliegt und dessen Schilf sich sachte im Wind wiegt. 

Ich danke Dir, liebe Mutti. Deine Relli